Alarmierende Zahlen zu Toten aufgrund von ärztlichen Behandlungsfehlern
Die Weltgesundheitsversammlung erklärte den 17. September zum Welttag der Patientensicherheit:
„World Patient Safety Day“
„Jede Minute sterben fünf Menschen wegen fehlerhafter Behandlung“, sagte der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf im Vorfeld des „Tages der Patientensicherheit“, welcher zum ersten Mal am 17. September 2019 stattgefunden hat.
In Deutschland sollen 19.000 Patienten aufgrund von „vermeidbaren Zwischenfällen“ im Medizinbetrieb pro Jahr sterben. Dies äußerte Assistenzärztin Sterz im Rahmen eines Lehrprojektes am Frankfurter Uniklinikum, das sich genau mit diesem Problem befasst. Faz.net berichtete hiervon.
Patienten, die falsch behandelt worden sind stehen nicht schutzlos da. Jedoch führt auch nicht jedes (vermeintliche) Fehlverhalten des Arztes und/oder seines Teams zum Schadensersatz. Im Folgenden soll kurz aufgezeigt werden, wann eine Haftung eines Arztes und/oder des Krankenhauses sowie der Berufshaftpflichtversicherung in Betracht kommt.
Ein Arzt macht sich grundsätzlich nur dann schadensersatzpflichtig, wenn er eine seine Pflichten verletzt hat und der Patient dadurch einen Gesundheitsschaden erlitten hat.. Anders ausgedrückt: Eine Verletzung rein vertraglicher Pflichten ohne Gesundheitsbeeinträchtigung des Patienten, führt im Regelfall zu keinem Schadensersatzanspruch.
Die ärztlichen Pflichten und potentielle Pflichtverstöße sind mannigfaltig. Sie lassen sich im Wesentlichen in Behandlungsfehler, Aufklärungsversäumnisse, Dokumentationsfehler sowie Organisationspflichtverstöße kategorisieren. Im Folgenden wird nur auf einige Aspekte der Behandlungsfehler eingegangen.
Behandlungsfehler
Zunächst ist festzuhalten, dass Ärzte ihren Patienten grundsätzlich keinen bestimmten Erfolg, wie beispielsweise die erfolgreiche Genesung, sondern nur eine fachgerechte Behandlung unter Einhaltung der erforderlichen Sorgfaltspflichten mit dem Ziel der Heilung oder Besserung des Gesundheitszustandes schulden. Grundlage hierfür ist der Behandlungsvertrag, der grundsätzlich durch die Behandlung des Arztes zustande kommt, ohne dass hierfür weitere (explizite) Vereinbarungen erforderlich sind.
Der Arzt schuldet dem Patienten primär eine fachgerechte Behandlung entsprechend dem Stand der medizinischen Erkenntnisse. Er kann sowohl für ein Tun, als auch für ein Unterlassen, also für die Nichtvornahme gebotener Maßnahmen, haften. Ein Arzt muss die anerkannten Fachregeln und Standards seiner Fachrichtung kennen, um den von ihm geschuldeten Sorgfaltsmaßstab erfüllen zu können.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die anerkannten Fachregeln und Standards häufig ändern (können). Was vor 20 Jahren weltweit nur wenige Spezialisten versuchten, wird heutzutage häufig zur Routine zumindest von Fachärzten gehören. Ferner ist zu beachten, dass die Anforderungen verkehrskreisspezifisch zu bestimmen sind. Ärzte, die sich auf einen bestimmten Fachbereich spezialisiert haben, müssen sich in diesem besser auskennen, als Allgemeinmediziner in dem bestimmten Fachbereich. Allgemeinmediziner andererseits müssen ihre Grenzen kennen und die Patienten erforderlichenfalls an einen Spezialisten verweisen.
Besondere Rolle von Sachverständigengutachten
Zur Bestimmung der anerkannten Fachregeln und Standards werden regelmäßig medizinische Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Der Gutachter hat zu prüfen, ob der behandelnde Arzt die zur Zeit der Behandlung geltenden wissenschaftlich erprobten und empfohlenen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen richtig angewandt hat. Hierbei ist zu bedenken, dass eine erfolglose Behandlung nicht zwangsläufig fehlerhaft sein muss. Es kommt immer wieder vor, dass Ärzte „totgeglaubte“ Patienten doch heilen können; andererseits passiert es auch immer wieder, dass Menschen an vermeintlichen einfachen Krankheiten sterben, die vielfach von Ärzten geheilt werden konnten.
Sofern der Gutachter jedoch eine Pflichtverletzung des behandelnden Arztes anhand der oben genannten Kriterien bejaht hat, muss er weiter prüfen, ob hierdurch ein Gesundheitsschaden verursacht wurde. Juristen bezeichnen dies als Kausalität. Liegt diese vor und folgt das Gericht der Bewertung des Gutachters, hat sich der Arzt gegenüber dem Patienten schadensersatzpflichtig gemacht.
Handlungsoptionen zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen
Es gibt verschiedene Möglichkeiten die Ansprüche des Patienten gegen einen Arzt und/oder das Krankenhauses sowie gegenüber der Berufshaftpflichtversicherung durchzusetzen. Ärzte sind von Gesetzes wegen dazu verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Zunächst empfiehlt es sich eine Einigung mit der Berufshaftpflichtversicherung des Arztes anzustreben, um einen kosten- und zeitintensiven Prozess zu vermeiden. Sollte dies nicht gelingen, steht dem Patienten außerdem ein für ihn kostenfreies Schlichtungsverfahren bei der zuständigen Landesärztekammer/Landeszahnärztekammer zur Verfügung. In diesem Verfahren werden die Vorwürfe des Patienten gutachterlich geprüft. Der Haken an dieser Vorgehensweise ist allerdings, dass der Arzt dem Schlichtungsverfahren zustimmen muss. Außerdem handelt es sich bei der Bewertung der Schlichtungsstelle bloß um eine unverbindliche Empfehlung, die von keiner Seite akzeptiert werden muss. Außerdem gibt es im zahnmedizinischen Bereich bei gesetzlich Krankenversicherten die Möglichkeit, einen zwischen Krankenkasse und Kassenzahnärztlicher Vereinigung einvernehmlich bestellten Gutachter zu beauftragen. Gesetzlich Krankenversicherte können im ärztlichen Bereich ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen anfertigen lassen. Sollte dies alles nicht von Erfolg gekrönt sein, sollte gut abgewogen werden, ob eine Klage vor einem Zivilgericht erhoben werden sollte.
Fazit
Bereits bei der ersten Geltendmachung der entstandenen Schäden des Patienten gibt es viele Fehlerquellen, die zuweilen die Anspruchsdurchsetzung erheblich erschweren, zu Kürzungen führen oder gar unmöglich machen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, sich zeitnah nach der Kenntnis eines erlitten Schadens von einem spezialisierten Rechtsanwalt beraten zu lassen.