Maskenzwang rechtmäßig ?
In der Seehaftigkeitsgeschichte und Kultur der Menschheit gab es schon vor etlichen Jahrhunderten Zeugnisse von Maskenzwang. Am bekanntesten sind die Pestmasken mit langen Nasen, welche auch den Mindestabstand zwischen Pestkranken und Priestern signalisieren sollten. In diese Maskennasen wurden zudem duftende Kräuter gelegt, die die Pest bekämpfen sollten – aber nicht taten.
In der griechischen Tragödie des Altertums, die der Verehrung des Weingottes Dionysos diente, mussten die Schauspieler Masken tragen. Diese gaben den Schauspielern ein starres und grausiges Aussehen. Es nahm den Protagonisten die Identität und Individualität. Großes Mienenspiel war nicht gefragt.
Seit dieser Woche gilt nun auch in Deutschland eine Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr und beim Einkaufen.
Die Bundesregierung empfiehlt dringend das Tragen von Schutzmasken. Als Schutz können auch selbstgenähte Alltagsmasken, Tücher und Schals dienen. Das Robert Koch-Instituts (RKI) empfiehlt auch das Tragen sogenannter nicht-medizinischer Alltagsmasken, da diese das Risiko von Infektionen reduzieren.
Genauer gesagt, hält das RKI das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (MNS) seit dem 07.05.2020 für einen zusätzlichen Baustein, um die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu reduzieren.
Die wichtigsten Aspekte bleiben: Abstand (mindestens 1,5 Meter) von anderen Personen halten, Husten- und Niesregeln und eine gute Händehygiene. Das RKI schreibt auch, dass es Personen gibt, die aus medizinischen oder anderen triftigen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen können.
Das Risiko, eine andere Person durch Husten, Niesen oder Sprechen anzustecken, kann durch das Tragen einer MNS verringert werden (Fremdschutz). Eine solche Schutzwirkung ist bisher nicht wissenschaftlich belegt, sie erscheint aber plausibel.
Hingegen gibt es für einen Eigenschutz keine Hinweise.
Der Maskenzwang käme insbesondere in Situationen in Betracht, in denen mehrere Menschen in geschlossenen Räumen zusammentreffen und der Abstand von mindestens 1,5 m nicht eingehalten werden kann (z.B. in Geschäften, in öffentlichen Verkehrsmitteln, am Arbeitsplatz). Voraussetzung dafür sei, dass genügend Menschen eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen und richtig mit der Mund-Nasen-Bedeckung umgehen:
- die Bedeckung muss durchgehend eng anliegend über Mund und Nase getragen und
- bei Durchfeuchtung gewechselt werden;
- sie darf während des Tragens nicht (auch nicht unbewusst) zurechtgezupft werden und auch
- nicht um den Hals getragen werden.
Hierbei verweist das RKI auf die in Bezug genommenen Hinweise des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zur Verwendung von selbst hergestellten Masken (sog. „Community-Masken“), medizinischen Gesichtsmasken, sowie filtrierenden Halbmasken (FFP1, FFP2 und FFP3) im Zusammenhang mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2 / Covid-19).
Im tabellarischen Vergleich wird dort eine sog. „Community-Maske“ (wohl mit der Alltagsmaske des RKI vergleichbar) mit einer medizinischen Gesichtsmaske und einer filtrierenden Halbmaske verglichen. Die Community-Maske wurde bisher weder getestet noch zertifiziert/zugelassen. Unter Schutzwirkung ist erläutert:
„i.d.R. nicht nachgewiesen;
durch das Tragen können Geschwindigkeit des Atemstroms oder Speichel-/Schleim-Tröpfchenauswurfs reduziert werden und die Masken können das Bewusstsein für „social distancing“ sowie gesundheitsbezogenen achtsamen Umgang mit sich und anderen unterstützen.“
Mit dieser Thematik hatte sich nun auch das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen zu befassen.
Dieses lehnte mit Beschluss vom 12.05.2020 – Az. OVG: 1 B 140/20 – einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Pflicht, beim Betreten von Geschäften und anderen Einrichtungen eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, ab.
Hierbei betonte das Gericht, dass hinsichtlich der nicht abschließend gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Wirksamkeit einer Mund-Nasen-Bedeckung zur Verringerung des Infektionsrisikos die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen seien, nichts desto trotz zum derzeitigen Stand aufgrund der Folgenabwägung keine einstweilige Anordnung zur Aufhebung des Maskenzwangs getroffen werden könne.
Das Gericht stützt seine Einschätzung auf die derzeitige pandemische Situation und die Besonderheit von Covid-19, nämlich dass eine Übertragung des potentiell tödlichen Virus durch eine infizierte Person sich bereits in einem Stadium vollziehen kann, in dem die infizierte Person selbst noch gar keine Symptome hat. Da jeder Mensch (Nichtstörer“) eine Gefahr für seine Mitmenschen darstellen kann, kann jeder Adressat von Maßnahmen werden, wie der Maskenpflicht in bestimmten Situationen.
An die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maskenpflicht stellt das Oberverwaltungsgericht keine hohen Anforderungen. Hierzu schreibt es:
„Solange eine epidemische Lage wie vorliegend nach wie vor durch erhebliche Ungewissheiten und sich ständig weiterentwickelnde fachliche Erkenntnisse geprägt ist, ist eine entsprechende Einschätzungsprärogative im Hinblick auf das gewählte Mittel einzuräumen.”
Als Einschätzungsprärogative wird das Vorrecht des Gesetzgebers bezeichnet, über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer bestimmten gesetzlichen Regelung zur Erreichung eines legitimen Ziels letztverbindlich zu entscheiden.
Weiter führt das Oberverwaltungsgericht aus:
„Auch wenn sich das Robert-Koch-Institut selbst zunächst kritisch zum Thema Mundschutz geäußert hat, empfiehlt es nun nachdrücklich ein generelles Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum als einen weiteren Baustein, um Risikogruppen zu schützen und den Infektionsdruck und damit die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu reduzieren. Diese Empfehlung beruht auf einer Neubewertung aufgrund der zunehmenden Evidenz, dass ein hoher Anteil von Übertragungen unbemerkt erfolgt, und zwar bereits vor dem Auftreten von Krankheitssymptomen. Der Hauptübertragungsweg für das Coronavirus sind feine Tröpfchen aus der Atemluft…”
“…Nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts können aber auch durch einfache textile Mund-Nasen-Bedeckungen infektiöse Tröpfchen, die man beim Sprechen, Husten oder Niesen ausstößt, abgefangen werden. Das Risiko, eine andere Person durch Husten, Niesen oder Sprechen anzustecken, kann so verringert werden. Eine solche Schutzwirkung ist bisher zwar nicht wissenschaftlich belegt, sie erscheint aber nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts plausibel..”
“…Das gilt insbesondere in Situationen, in denen mehrere Menschen in geschlossenen Räumen zusammentreffen und sich dort länger aufhalten oder der Abstand von mindestens 1,5 m zu anderen Personen wie z. B. in Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln nicht durchgehend eingehalten werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass genügend Menschen eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen und richtig mit ihr umgehen…”
Das Gericht greift die Hinweise des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zur Verwendung von selbst hergestellten Masken (sog. „Community-Masken“), medizinischen Gesichtsmasken, sowie filtrierenden Halbmasken (FFP1, FFP2 und FFP3) im Zusammenhang mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2 / Covid-19) auf und führt weiter aus:
“…Der teilweise zu beobachtende unsachgemäße Umgang mit der Mund-Nasen-Bedeckung vermag die Eignung dieser Maßnahme ebenso wenig in Zweifel zu ziehen, wie die Möglichkeit der Entstehung eines falschen Sicherheitsgefühls. Informationen über die Wirkungen und die Benutzung von Alltagsmasken sind umfangreich auf den Internetseiten des Robert-Koch-Instituts und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu finden (vgl. u.a. www.infektionsschutz.de/coronavirus/verhaltensregeln). Dort wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass weiterhin Abstand zu halten ist und dem richtigen Umgang mit den Mund-Nasen-Bedeckungen ganz wesentliche Bedeutung für einen größtmöglichen Schutz zukommt. Mund-Nasen-Bedeckungen sind danach insbesondere nicht um den Hals zu tragen. Beim Anlegen und Abnehmen der Bedeckung sind hygienische Standards einzuhalten, die im Einzelnen erläutert werden (Anmerkung: Händewaschen, nicht Wiederverwendung). Damit wird auf die bestehenden Risiken ausdrücklich hingewiesen. Im Übrigen wird die Geeignetheit einer Maßnahme nicht durch das Fehlverhalten Einzelner in Frage gestellt, wenn der ganz überwiegende Teil der Bevölkerung offenbar Willens und in der Lage ist, den zentralen Vorgaben im Zusammenhang mit der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung Folge zu leisten…”
“…Auch die WHO geht derzeit davon aus, dass der Einsatz von Mund-Nasen-Bedeckungen im öffentlichen Raum nicht ausreichend evaluiert sei und daher weder eine Empfehlung für noch gegen den Einsatz gegeben werden könne…”
“Die angegriffene Regelung ist auch als angemessen anzusehen. Dabei ist auf Seiten der Antragsteller zu berücksichtigen, dass sich die Maßnahme nicht als schwerwiegender Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt. Die Antragsteller machen insoweit ohnehin nur geltend, durch die Maskenpflicht beim Einkaufen in den Geschäften beeinträchtigt zu sein, da sie öffentliche Verkehrsmittel nach eigenen Angaben nicht nutzen. Aber auch insoweit ist zu beachten, dass das Verbot sie sowohl in zeitlicher Hinsicht nur für die Dauer ihrer Einkäufe als auch in räumlicher Hinsicht nur innerhalb der Geschäfte, bei deren Betreten sie einer Maskenpflicht unterliegen, beschränkt.”
Abschließend führt das Gericht aus:
“Dem verhältnismäßig geringfügigen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht stehen erhebliche Gefahren für hochrangige Schutzgüter wie das Leben und die Gesundheit insbesondere der Menschen gegenüber, die einer Risikogruppe angehören. Darüber hinaus geht es um die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems, das als wesentlicher Bestandteil der Daseinsvorsorge der Gesundheit der gesamten Bevölkerung dient.”
“Demgegenüber kann die Außervollzugsetzung der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht nur im Einzelfall, sondern für das Infektionsgeschehen insgesamt erhebliche Folgen haben und einem überragend wichtigen Gemeinwohlbelang einen irreversiblen Schaden zufügen.”