Auch Kleinkindern können Ausgleichszahlungen wegen Ankunftsverspätungen zustehen

Die Sommerferien stehen vor der Tür.  Die Airlines bereiten sich darauf vor, wieder in die Luft zu gehen. Seit Februar 2005 gilt die Fluggastrechteverordnung auch unmittelbar in Deutschland. Immer wieder haben sich die Gerichte mit ihr auseinanderzusetzen. So auch im Urteil vom 4. Juni 2020 des Amtsgerichts Hannovers.

Was war passiert?

Zwei Passagiere sollten mit ihrem Kleinkind von Heraklion nach Nürnberg transportiert werden. Die geplante Ankunftszeit sollte um 12.30 Uhr sein. Sie kamen jedoch erst um 18.30 Uhr an. Die beiden Passagiere verlangten eine Ausgleichszahlung aufgrund der Verspätung für das Kleinkind.

Wesentliche Argumentation des Flugreiseveranstalters

Der Flugreiseveranstalter machte geltend, dass dem Kleinkind kein Anspruch zustehe, weil es keinen Flugpreis gezahlt habe. Bei den gezahlten 15 EUR handele es sich um eine Verwaltungsgebühr, jedoch nicht um einen Flugpreis.

Rechtliche Würdigung der Gerichts

Dem ist das Amtsgericht Hannover im Urteil vom 4. Juni 2020 nicht gefolgt. Der Flugreiseveranstalter wurde zur Ausgleichszahlung in Höhe von 400 EUR gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b), Art. 5 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO verurteilt, weil das Kleinkind das Flugziel erst mehr als 3 Stunden später als gebucht erreichte.

Fraglich war, ob der Ausgleichszahlungsanspruch gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 1 FluggastrechteVO entfallen war. Hiernach gilt u.a. die FluggastrechteVO nicht für Fluggäste, die kostenlos reisen. 

Das Amtsgericht hatte somit zu entscheiden, ob das Kleinkind kostenlos im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 FluggastrechteVO reiste oder nicht. Es kam zum Ergebnis, dass ein Flugpreis in Höhe von 15 EUR gezahlt wurde, so dass die FluggastrechteVO anzuwenden war.

Das Amtsgericht hielt fest, dass es Flugreiseveranstaltern frei stehe, für (Klein-)Kinder einen Flugpreis zu vereinbaren oder aber diese kostenlos fliegen zu lassen und nur eine Verwaltungsgebühr für den Aufwand zu erheben. Hierbei müsse jedoch klar erkennbar sein für welche Variante es sich entschieden habe. 

Dies sei nicht erfolgt. Die Buchungsbestätigung, in der es jeweils bei Hin- und Rückflug eine Auflistung gibt, unter der sich neben den Gepäckstücken und der Verpflegung auch der Eintrag „1xKleinkind(er)“ findet, könnte so ausgelegt werden, dass es sich bei den gezahlten 15 EUR um eine Gebühr handele. Andererseits würde die AGB der Beklagten dagegensprechen. Dort findet sich die Information „Kleinkinder im Alter von 0 bis einschließlich 1 Jahr zahlen 15 EUR pro Flugstrecke“ nämlich unter der Überschrift „Kinderermäßigung“.

Gemäß § 305 c Absatz 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders. Hierbei berücksichtigte das Amtsgericht auch zugunsten der Passagiere die Intention der Verordnung, die ein hohes Schutzniveau der Fluggäste beabsichtigt (vgl. Erwägungsgrund Nr. 1 zur Verordnung Nr. 261/2004 (EG)).

Die Beklagte habe es in der Hand, ihre Vereinbarungen bzw. Klauseln zukünftig klar und eindeutig zu fassen. Dass sie dies nicht getan hat, ging zu ihren Lasten.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Berufung wurde durch das Amtsgericht zugelassen.

Bisher (Stand 13. Juni 2020) ist nur eine Pressemitteilung und nicht das Urteil veröffentlicht worden. 

Fazit

Es handelt sich vorliegend um eine nicht rechtskräftige Einzelfallentscheidung. Häufig kommen Airlines, Flugreiseveranstalter etc. den sie aus der FluggastrechteVO (Zahlungs-)Pflichten nicht (fristgemäß) nach. Sollten Sie davon ausgehen, dass Ihnen im Rahmen einer Reise seitens der Airlines, Flugreiseveranstalter etc. Unrecht widerfahren ist, ist es ratsam, sich zeitnah von einem erfahrenen Anwalt beraten und erforderlichenfalls vertreten zu lassen.

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